Eine tiefgreifende Entscheidung auf See
Am Nachmittag des 10. Juli 2000 erhält mein bester Freund Ricco Geithner einen Anruf seiner Mutter. Sie ist Immobilienmaklerin und hält das Exposé eines 15 Hektar großen Grundstücks am Wolziger See in der Hand. Darüber möchte sie mit ihrem Sohn reden. Was sie nicht weiß ist, dass wir uns im gleichen Moment auf dem Teamgeist-Segelboot mitten im frischen Wind der Ostsee befinden.
“Möchtest Du an Deinem See ein Grundstück mit Bistro kaufen?” brüllt mein Freund breit grinsend aus dem Schiffsinneren zu mir hoch. Ich steuere das Schiff und halte die Frage für einen Scherz. Erst vor vier Stunden sind wir in Warnemünde zu der längsten deutschen Streckenseeregatta “Rund Bornholm” aufgebrochen. Wir segeln mit hoher Geschwindigkeit unter Spinnaker am Darßer Ort an der Halbinsel Darß vorbei. Strömung, starker Wind, Schiffsverkehr und ein Regattafeld aus 80 Hochseeyachten fordern meine Aufmerksamkeit am Ruder. Eine zwei Meter hohe Welle schiebt uns unter wolkenlosem Himmel über das glitzernde Meer in Richtung Dänemark. Ein Fehler und die 13 Meter lange Yacht würde auf der Seite und die Crew im Wasser liegen. Ich konzentriere mich also wortlos weiter auf unseren Kurs.
“Hört sich gut an! Wann soll die Versteigerung stattfinden?” höre ich meinen Freund und Mentor Frank George, der uns begleitet, rufen. Ich kann nur den Kopf schütteln. “Sind wir auf einer der aufregendsten Regatten Europas oder auf dem Börsenparkett?“, frage ich mich leise. Beide sind sich in kurzer Zeit, auf der Kante der Yacht sitzend, einig. Das Gelände am See sei eine einzigartige Gelegenheit, die vielleicht nie wieder käme.
Der Verkauf soll bereits in zwei Tagen über die Bühne gehen. “Glück gehabt! Da sind wir noch nicht einmal über der Ziellinie. Ganz zu schweigen von der Finanzierung, die organisiert werden muss.“, denke ich erleichtert. Der Unternehmergeist meiner kreativen Freunde nimmt nun parallel zur Yacht so richtig Fahrt auf. Noch haben wir Mobilfunkverbindung. Frank ruft seine Bank an. Und tatsächlich: Drei Stunden später erreicht uns die Genehmigung für die Kaufsumme. Ein Genie, dieser Mann! Für mich gibt es kein Zurück. Zu groß sind mein Vertrauen und die ansteckende Begeisterung der schlauen Köpfe an Bord. Ricco erteilt seiner Mutter die Vollmacht zur Ersteigerung, die prompt den Zuschlag bekommt. Mit dem Zieleinlauf sind wir Drei am 12. Juli 2000 Besitzer eines uns völlig unbekannten Grundstücks am Wolziger See. Die wohl verrückteste und riskanteste Geschäftsentscheidung meines Lebens, in die mich meine Begleiter geschickt hineinmanövriert haben.
Unangenehme Überraschungen an Land
Das Erwachen kommt schon bald, als hätten wir es geahnt. Die traumhafte Lage am Naturhafen Kolberg, einem ehemaligen Stich zur Gewinnung von Lehmerde für die Ziegelbrennerei auf dem Grundstück, kann nicht über den extrem verwüsteten Zustand unseres neuen Domizils hinwegtäuschen. Müll, wohin das Auge blickt. Bewuchs, Zerfall überall. Haben wir uns verkauft? Und es kommt noch schlimmer: Bevor ich mit der Erstellung eines Konzeptes zu Umbau und Nutzung der Immobilie beginne, möchte ich in einem Vorort-Termin die Interessen der Gemeinde und der Behörden kennenlernen. Nüchtern teilt uns das Bauamt mit, dass der Bestandsschutz des Ausflugslokals abgelaufen sei. Wie werden allen Ernstes aufgefordert, den gesamten Baubestand abzureißen. Eine Katastrophe! Wir haben eine Wiese gekauft und unermessliche Rückbaukosten werden uns nun aufgezwängt. Wir fühlen uns betrogen. Das Konzept wird auf Eis gelegt und ein langwieriger Prozess beginnt. Wir beantragen die Wiederinbetriebnahme. Behördenmarathon, Gutachtenberge, Stellungnahmen - uns bleibt nichts erspart, aber zahlen dürfen wir trotzdem.